Eine unrühmliche Geschichte und was daraus zu lernen ist.

Eine Pandemie ist eine Ausnahmesituation, das ist sicher nicht umfassend zu üben und einzustudieren. Lassen wir mal weg, dass Experten und auch die WHO genau über solche Viren mit diesen Folgen schon lange nachdenken und letztlich der Ausbruch in China bekannt war. Vergessen wir auch einen Augenblick, dass in unserem Land im Rahmen einer Studie zum Katastrophenschutz genau ein solches Szenario beschrieben wurde, wie wir es gerade erleben.

Ersparen wir uns Vorwürfe, man hätte sich besser vorbereiten können. Tatsächlich stehen wir besser da, als die meisten anderen Länder, und es ist müßig im Nachhinein zu dozieren was man hätte besser machen können. Was aber tatsächlich zu hinterfragen und zu kritisieren ist, ist der Umgang der Politik mit dem Thema Altenpflege in einer panikartigen Notsituation. Es war von Anfang an klar, dass nicht nur Arztpraxen, Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen schwer getroffen würden. Vor allem die Pflegeheime waren als maximal bedroht bekannt. Nach jetzigem Stand und den Zahlen des RKI stammen ein Drittel der bekannten Todesfälle aus Heimen. Der Anteil der Infektionen ist nennenswert. Es ist viel gesprochen worden, und es wurde auch gehandelt. Aber in dem „Wie“ hat sich in den meisten, wenn nicht vielen Fällen die ganze Widersprüchlichkeit verwaltungsmäßiger Haltung gegenüber der stationären Pflege gezeigt. Spektakulär wird über Infektionen und Todesfälle in Heimen berichtet, die Träger und Betreiber geraten in den Focus. Es wird aber keine zwingende Strategie zur Vermeidung festgelegt, jedenfalls nicht rechtzeitig.

Jetzt erst, nach und nach, legen Länder fest, dass sie bei vorliegenden Infektionen in Heimen ALLE Bewohner und Mitarbeitenden testen lassen wollen, und das wiederholt. Das ist auch zwingend notwendig und entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Eindämmung und Bekämpfung der Infektionen. Sehr gut organisierte Kommunen und Kreise haben das von Anfang an so gesehen und sich gut vorbereitet. Andere haben bis heute keine Veranlassung dazu gesehen, haben auf den Hausarzt für die Bewohner und den Betriebsarzt für die Mitarbeitenden verwiesen, und das auch noch zu eigenen Kosten, z.B. sei es ja Arbeitsschutz. § 25 IfSG legt eindeutig fest, dass das Gesundheitsamt insbesondere die Ausbreitung der Krankheit ermittelt. Das hätte von Anfang an klare Leitlinie sein müssen, dann wären viele schlimme Situationen vermieden worden.

Dann zu den weiteren Maßnahmen. Am Beispiel verschiedener Landesverordnungen und anderer Anweisungen von Behörden oder Krisenstäben: Wir haben Jahrzehnte zusammen für die Würde und die Selbständigkeit der pflegebedürftigen Menschen gestritten. Prinzip des hauptsächlichen Wohnens nach WBVG, freie Arztwahl, Vertragsrechte, Betreuung oder Bevollmächtigung, freiheitsbeschränkende Maßnahmen u.v.m. Nun schreiben Verordnungen vor, dass neu aufgenommene Bewohner (die natürlich nicht zwingend zu testen sind) 14 Tage isoliert sein sollen. Das ist bei verständigen Menschen noch zu leisten, bei kognitiv eingeschränkten Bewohnern ein Riesen Problem. Zu Anfang der Maßnahmen hieß es teilweise hinter vorgehaltener Hand noch, im Zweifel gingen polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr dem Weg über das BGB und das Amtsgericht vor. Man könne einschließen oder ähnliches tun. Welch ein Paradigmenwechsel im Verständnis.

Dann sprechen Verordnungen von Umzügen innerhalb der Einrichtung, meinen tatsächlich aber Verlegungen. Schließlich leben die Menschen in ihrer eingerichteten Wohnung, mit Möbeln, Bildern, persönlichen Gegenständen. Dann ist eben umzuziehen, und das müssen wegen Besuchs- und Betretungsverboten auch noch die ohnehin völlig überlasteten Pflegekräfte leisten. Über einen Krisenstab kommt eine Aufforderung an eine Einrichtung, ein Formular einer Klinik auszufüllen. Vorhandensein von Betreuer, Vollmacht oder Patientenverfügung, das ist noch unkompliziert, gehört sowieso bei einer guten Doku in ein Notfallblatt. Aber dann weiter: es soll mit den Bewohnern, auch telefonisch mit Angehörigen, geklärt werden, ob im Notfalle lebenserhaltend therapiert werden soll oder nicht (!)
Ein Vorgang, der z.B. im Rahmen des § 132g SGB V (Planung der letzten Lebensphase) viel Zeit, Fingerspitzengefühl und geschulte Kräfte erfordert.

Im Zeichen der Panik alles hinfällig.

Was ich damit deutlich machen will: im Zweifel und in der Notsituation sieht die Politik die Pflegeheime eher wie Krankenhäuser und Patienten als so, wie sie es jahrelang propagiert haben.
Anstatt von Anfang richtig vorzubeugen und zu testen, werden in vermeintlich bester Absicht teilweise abstruse Absichten verfolgt. Was in diesem Kontext wirklich erwähnenswert ist: die meisten Aufsichtsbehörden sind in diesem Durcheinander eher zu Mitstreitern der Heime geworden als zu deren Peinigern. Mandanten von mir haben sich gegen Verordnungen und unsinnige Erlasse zur Wehr gesetzt und haben mit regionalen Behörden individuell mögliche Lösungen gefunden. Dabei haben wir die pflegefachliche Expertise und die eigene Verantwortung vorangestellt und eingefordert. Und wir haben dort wo es nötig war, massiv auf Tests gedrängt.

So hat alles im Großen und Ganzen bisher vernünftig geklappt. Letztlich hat die Politik Züge gezeigt, die ich schon seit Jahren kritisiere. Es gibt kein Vertrauen in die Heime und deren Arbeit, es gibt ein unerschütterliches Selbstverständnis, dass man das Beste für alle wolle und selbstverständlich und zweifelsfrei so agiere. Letztlich sind aber die besten Lösungen kleinteilig und vor Ort gefunden worden. Und es gibt eine besondere Entwicklung: Man sieht was die Heime zu leisten imstande sind, es entsteht Respekt, Vertrauen und Miteinander. Das wäre nach einer sorgfältigen Auswertung aller Besonderheiten nach der Krise eine schöne Grundlage für ein neues Miteinander. Es muss Schluss sein mit vollmundigen und wohlgemeinten Ankündigungen und einer Kultur des Misstrauens. Wir brauchen Vertrauen in die Heime, mehr Personal und bessere Gehälter. Das schließt gute und effektive Kontrollen nicht aus, aber wäre insgesamt eine andere Atmosphäre.

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